Freitag, 18. Januar 2013

Live von der Trainingsfront: Athletinnen berichten.



Vor 2 Jahren in England.

Name:
Anna
Mama von:
Lisa (3)
Stadt:
Hamburg
Beruf:
Kontrollerin bei einer Versicherung

Wie sieht ein normaler Wochentag/dein Alltag mit Kind aus?
Ich stehe um 6 auf, denn bevor der Tag beginnt, möchte ich noch ganz in Ruhe einen Kaffee in der stillen Küche trinken. Um 7 wecke ich Lisa. Wir kuscheln noch einige Minuten, dann helfe ich ihr beim Anziehen und wir frühstücken gemeinsam. Um 8 verlassen wir das Haus und ich bringe Lisa zur Kita. Dann fahre ich zur Arbeit. Meinen Job konnte ich zum Glück auf Teilzeit reduzieren, so dass ich gegen 14 Uhr das Büro wieder verlasse. Meist gehe ich dann noch schnell einkaufen und hole Lisa gegen 15 Uhr aus der Kita ab. Zuhause trinken wir Kaffee/Kakao. Wenn das Wetter gut ist, gehe ich meistens mit Lisa auf den Spielplatz. Bei schlechtem Wetter spielen wir zuhause. So gegen 18 Uhr beginne ich das Abendessen vorzubereiten, damit wir um halb 7 essen können. Danach beginnt unser Abendritual meist bestehend aus Baden, Vorlesen, Singen, Kuscheln und „Gute Nacht“ sagen. Wenn Lisa dann schläft, setze ich mich noch kurz an den Rechner und erledige Mails und evt. aufgelaufene Arbeiten. Anschließend schaue ich noch ein wenig fern, telefoniere mit Freunden oder lese ein Buch. So gegen 22 Uhr gehe ich meist auch ins Bett.

Was macht es manchmal besonders anstrengend?

Die Tatsache, dass ich allein für alles verantwortlich bin. Lisas Papa hat uns vor 2 Jahren verlassen und ist zurück in seine Heimat nach Süddeutschland gegangen. Der Kontakt zu seiner Tochter findet nur sporadisch statt, meist an einem Wochenende im Monat. Dann nimmt er sich hier ein Hotelzimmer, holt Lisa Samstags mittags ab und bringt sie am Sonntag Mittag wieder. Mittlerweile beginnt Lisa Fragen zu stellen und es fällt mir schwer, darauf so zu antworten, dass ich denke, sie kann es verstehen. Wir haben kaum Kontakt, so dass ich alle Probleme, Fragen, Sorgen, Nöte rund ums Kind mit mir alleine ausmachen muss und nichts so einfach teilen kann. Viele meiner Freundinnen haben (noch) keine Kinder, daher können sie mit vielen Sachen, über die ich mir Gedanken mache, nichts anfangen. Manchmal wünsche ich mir einfach eine Schulter, an der ich mich ausheulen kann, weil der Tag so anstrengend und beschwerlich war. Dann beiße ich die Zähne zusammen, ich möchte nicht, dass Lisa meine Erschöpfung spürt, und hoffe auf einen besseren Tag. Der kommt dann auch meistens.

Was ist im Moment deine größte Herausforderung:
Ruhig zu bleiben, freundlich und zugewandt, selbst wenn ich vor Verzweiflung nur noch heulen möchte. Lisa soll nie auch noch von mir das Gefühl bekommen, dass ich nicht für sie da bin. Schließlich hat sie das schon beim Papa erlebt. Zwar damals nicht bewusst, aber mittlerweile denke ich, dass es ihr auffällt. In der Kita sieht sie Papas, die Kinder abholen, auf dem Spielplatz sieht sie Papas. Ich habe ein wahnsinnig schlechtes Gewissen ihr gegenüber und das versuche ich, so gut wie möglich zu kompensieren. Aber es kostet mich wahnsinnig viel Kraft. Es wäre damals zwar keine Option gewesen, die Beziehung aufrecht zu erhalten, dennoch mache ich mir Vorwürfe. Das soll Lisa aber nicht merken und das ist verdammt anstrengend. Zumal ich weiß, dass meine Angespanntheit vielleicht doch etwas krankhaftes hat und mich oft schöne Momente gar nicht richtig genießen lässt.

Kannst du ein konkretes Beispiel/ Situation nennen:
Letzte Woche hatte ich einen wirklich blöden Tag im Büro und kam erst auf den letzten Drücker weg. Daher kam ich relativ gehetzt an der Kita an, um Lisa abzuholen. Sie spielte gerade mit ihrer Freundin Klara und deren Papa irgendein Spiel und wollte partout nicht mit. Ich musste also ein weinendes Kind ins Auto verfrachten, was auf der ganzen Fahrt „Will pielen, mit Papa und Lara (Klara)!“ schrie. Das ging mir ganz schön an die ohnehin schon angeschlagenen Nerven. Zuhause beruhigte sie sich dann zwar wieder, ich aber erst mal nicht. Also raus an die frische Luft und auf den Spielplatz. Dort war ausgerechnet Klara mit ihrem Papa, den ich nicht wirklich gut kenne. Lisa lief sofort freudestrahlend auf beide zu. Ich war abgemeldet. Eigentlich eine gute Sache, ich hätte in Ruhe ein Buch lesen können. Aber ich konnte es nicht genießen. Als ich Lisa auf der Schaukel Anschwung geben wollte, verlangte sie lautstark nach „Papa Lara“. Ich durfte die Schaukel nicht anfassen. So gegen 5 deutete ich langsam an, dass wir gleich gehen müssten. „NEEEIIINNNN!“ Sie rannte zu Klara. Ich hoffte inständig, dass Klara plus Vater auch gleich gehen würden, aber das war nicht der Fall. Also zerrte ich eine sich vor Wut windende und brüllende Lisa gegen halb 6 vom Spielplatz. Der Weg nach Hause war ein einziger Kampf. Lisa schrie, warf sich auf den Boden, schlug um sich. Ich musste sie hinter mir herzerren und mir etliche Kommentare wildfremder Passanten gefallen lassen. Das Abendessen wurde begleitet von heftigem Schluchzen und sie beruhigte sich erst wieder, als ich sie mit ihrer Lieblingspuppi in die Badewanne setzte und mit ihr spielte. Nachdem ich Lisa ins Bett gebracht hatte, war ich endlich dran mit hemmungslosem Geheule.

Wie gehst du damit um (normalerweise)?
Ich beiße die Zähne zusammen und mache gute Mine zum bösen Spiel. Wenn ich dann alleine bin, lasse ich mich gehen und heule. Und beruhige mich dann wieder. Und hoffe, dass es besser wird, nach dem Motto „neuer Tag, neues Glück“. Meistens klappt das. Aber ich denke oft, dass ich mir Hilfe suchen sollte (Therapie, Gruppe mit Frauen, denen es ähnlich geht o.ä.)

Wer/was hilft Dir am meisten?
Die Tatsache, dass Lisa eigentlich ein fröhliches, gesundes Mädchen ist und all die Stunden, in denen wir völlig unbeschwert sind (die gibt es nämlich, zum Glück.)

Was ist deine größte Motivation, wenn du manchmal denkst dir wird das jetzt einfach zu viel?
Tief in mir drin weiß ich, dass ich es schaffen werde. Und verdammt stolz auf mich und meine tolle Tochter sein kann.

Wie regenerierst Du?
Ich habe angefangen zu meditieren. Das mache ich 3 x in der Woche abends, wenn Lisa im Bett ist. Das tut mir gut.

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