Wie viel Aggression ist noch normal? |
In der aktuellen Nido (10/2013) beschäftigt sich ein Artikel
mit „aggressiven“ Kindern. Schnell wird klar, dass es zu diesem Thema (wie zu
unzähligen anderen auch) zwei nahezu unversöhnliche Lager gibt. Auf der einen
Seite die Liberalen, die, wie der dänische Erziehungsberater Jesper Juul, für
einen entspannten Umgang mit dem „Problem“ plädieren. Und auf der anderen Seite
die Hardliner, wie der Bonner Jugendpsychiater Michael Winterhoff (mit dem es
parallel im aktuellen Spiegel 25.09.2013 ein Interview gibt), die ein Mehr an
Disziplin fordern.
Leider gibt keine Seite eine konkrete Antwort auf die Frage,
was denn nun ein wirklich aggressives Kind ausmacht. Ist bereits ein
Wutausbruch an der Supermarktkasse oder der eskalierende Geschwisterstreit
wegen eines Spielzeuges Vorbote einer unheilvollen Entwicklung hin zum
selbigen? Oder ist es eine zu lasche Erziehung, die bereits bei den Kleinsten Entwicklungsverzögerungen
verursacht, um sie später peu à peu zu sozial inkompatiblen Ego-Monstern zu
machen, denen nicht mehr beizukommen ist, so die These Winterhoffs.
Wie viel Aggression ist normal? Und gehört ein gewisses Maß
an Aggression nicht zur kindlichen Entwicklung dazu, um eigene Grenzen zu
erfahren und überhaupt erst zu erlernen? Beispielsweise beim notwendigen
Geschwisterstreit oder bei der Erfahrung, dass man nicht alles kriegt, was man
will ( s. auch Quengelware).
Viel entscheidender ist doch der Umgang mit dem zu Recht
manchmal aggressiven Kind.
Idealerweise begreift man „Aggression als
Kommunikationsangebot“ (Nido). Auf das man am besten gelassen aber ernsthaft
reagiert. So kann man dem Kind signalisieren, dass man es ernst nimmt „ich
verstehe, ja dass du wütend bist“, sein Verhalten (Schlagen, Boxen, Beißen
o.ä.) aber nicht toleriert. Man kann dem Kind anbieten, seine Wut erst einmal
woanders rauszulassen (z.B. ins Kissen schlagen, boxen, beißen) oder man geht
das Thema jovialer an: „Sogar wenn ein kleines Kind seine Eltern boxe, solle
man lachend entgegnen: „Hey, gut geboxt. Mach noch mal! Und dann sag mir, was
dich ärgert!““ (Nido). Das klingt doch vernünftig.
So oder so - das beste Lehrstück, wie man es NICHT machen sollte, liefert eindeutig der Film "Der Gott des Gemetzels" von Roman Polanski, der auf einem Theaterstück der französischen Dramatikerin Yasmina Reza basiert.
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